Eilike hat geschrieben:
winnie hat geschrieben:
Mir ging es nur darum nur grundsätzlich die Forderung nach "Courage" bei liturgischen Änderungen/Neuerungen mal etwas in Frage zu stellen, meines Erachtens wäre das eher das Gebiet für die "Tugenden" Behutsamkeit, Aufmerksamkeit, Klugheit, Bedachtsamkeit und Rücksicht.
Für mich ist Liturgie nicht vom Himmel gefallen und deshalb nicht tabu. .
Vollkommen richtig. Liturgie fällt nicht vom Himmel, sondern hat sich entwickelt und wird auch entwickelt. (Insofern führt auch das Sprechen von der organisch gewordenen Liturgie in die Irre. Es verschleiert nur, dass wir in den meisten Fällen keine Quellen befragen können, wann genau diese oder jene liturgische Änderung/Neuerung eingeführt worden ist. Das geben die Quellen meist nicht her. Wir können ihnen allenfalls entnehmen, dass ein bestimmter Sachverhalt zu einem bestimmten Zeitpunkt so ist. Dass irgendjemand -eine kirchliche oder weltliche Autorität- das dann irgendwann so geordnet hat, ist eigentlich nicht zu bezweifeln. Wir wissen aber halt nicht wer es genau wann war.)
Trotzdem ist Liturgie auch der Raum, in dem sich auch persönliches Gebet, vielleicht sogar persönliche Gottesbegegnung und Gotteserfahrung sich abspielen können und könnten.
Nun kann ich als Seelsorger oder engagierter Gläubiger der Meinung sein, dass in der tradierten Form der eigenen Liturgie zu wenige Menschen erreicht werden, dass für die grössere Masse andere Formen ausprobiert/gefunden werden müssten. Auch das ist eine legitime Überlegung.
Dennoch würde ich für einen gewissen Bestandsschutz plädieren, auf den die Menschen ein Recht haben, die mit der tradierten Form gut leben können und die in der tradierten Form einen wesentlichen Teil ihrer Gottesbeziehung leben.
Das ist das, was bei dem Ruf nach Courage in der liturgischen Erneuerung leider oft übersehen wird, was von eifrigen Liturgiekreisen gerne verdrängt wird.
Ein kleines Beispiel aus meinem engeren Familienkreis mag die Problematik zeigen.
Voraussschicken muss ich freilich, dass ich seit Anfang 2014 stark in die Pflege meiner Eltern, bzw. nach dem Tod meines Vaters in die Pflege meiner Mutter eingespannt bin und an unserem sonntäglichen Gemeindegottesdienst sowie Arbeitskreisen der Gemeinde selten bzw. nicht mehr teilnehmen kann. Ich versuche dann in Bonn (=dem elterlichen Wohnort) zur Messe zu gehen, sei es nun in Cyprian, Namen Jesu oder bei der rk Konkurrenz, während meine Familie meist noch in Köln zur Sonntagsmesse geht bzw. ging.
Denn zur Beginn der diesjährigen Fastenzeit überraschte am Aschermittwochabend der Liturgiekreis die Gemeinde mit einer umgeräumten Kirche: der Altar aus dem Altarraum in die Mitte des Kirchenraumes geräumt, das Ambo verstellt usw. Das Ganze sollte das Thema "Perspektivwechsel" erfahrbar machen. Diese Möblierung des Kirchenraumes solle dann bis Ostern so bleiben. Predigten und Impulse in der Fastenzeit sollten dann durchgängig zum Thema "Perspektivwechsel" sein.
Dazu gab es ein kopiertes persönliches Statement eines älteren Priesters, das theologisch unterirdisch war, aber offensichtlich von den anderen Klerikern und Laien nicht unbedingt mitgetragen wurde, so dass man es als normales Gemeindemitglied ruhig in die Tasche stecken und dort vergessen konnte. Und auch die Umräumaktion des vertrauten Kirchenraumes beschloss ich geduldig zu ertragen, obwohl es für mich doch etwas zu sehr nach Aktivismus roch und ich auch kurze Zeit nach dem Tode meines Vaters auf Wurschteleien am Gottesdienst gerne verzichtet hätte.
Aber ... Mein inzwischen bereits pubertierender Sohn jedoch war schon vorher in die Kirche geeilt, um zu ministrieren. Er nahm die veränderte Ordnung wahr und verlor umgehend die Lust, sein Vorhaben auszuführen. Mit hochrotem Kopf setze er sich neben mich: "Papa, was soll das?" Ich sagte, er es solle mal abwarten. Es würde gleich erklärt. Die Erklärung kam dann auch, überzeugte ihn aber offensichtlich nicht. Er hatte direkt nach dem Gottesdienst ein halbes Dutzend -altersgemäß gute -Gründe, warum der vom Liturgiekreis verordnete Perspektivwechsel "Scheiße" sei.
"Nun", dachte ich, "er wird sich abregen". Es dauerte eine Weile, ein paar Wochen bis ich begriff, dass er genau das nicht tat. Er vermied er fortan konsequent in der Fastenzeit die Gemeinde aufzusuchen, an den Gottesdiensten teilzunehmen. Stattdessen ging er selbsttätig in andere Gottesdienste -bei den hiesigen Römern oder in Bonn nach Namen Jesu, wo wir uns dann ggfs und zu meiner Überraschung trafen.. (Kann er mit seinem Schülerticket problemlos erreichen, und auch die Fahrzeit ist unwesentlich länger, als wenn er i die Kölner ak Gemeinde führe.)
Mit den Ostergottesdiensten ist der eigentliche Stein es Anstoßes weg. Die alte Ordnung in der Gemeinde wieder da. Trotzdem ist das Element der Entfremdung geblieben. Er fährt lieber nach Bonn zur Messe und spricht von der Kölner Gemeinde nicht mehr selbstverständlich als "seiner Gemeinde".
Ein Perspektivwechsel ist also offensichtlich erreicht worden, aber wohl nicht der intendierte. Und vermutlich ist es auch der von seinem Urgroßvater ererbten niederrheinischen Dickschädeligkeit zu verdanken, dass er nach dieser Irritation überhaupt weiter zum Gottesdienst geht. Andere Jugendliche würden wohl eher ganz zuhause bleiben.
Eilike hat geschrieben:
Übrigens: Aus praktischen Gründen bin ich froh über die Nähe unserer liturgischen Ordnung zur rk. Liturgie. Aber immerhin hatten wir auch schon den Mut zu einem Kalendarium mit eigenen Gedenktagen, zu einem ergänzenden eigenen Lektionar und vor allem zu einem recht gelungenen Altarbuch. Und sollte Rom sich "bis zum nächsten Konzil" ausruhen auf der Konzilskonstitution, werden wir hoffentlich die Courage aufbringen, uns trotzdem weiterzuentwickeln.
Das sehe ich auch so, scheint aber für Dekan i. R. Klein Stein des Anstoßes zu sein: "Warum haben wir zum Beispiel im Liturgischen eine fast ängstliche Übereinstimmung mit der Liturgie der Großkirchen?"